Kerstin mit dem Rennrad die "Stilfserjoch-Passstraße" auf 2760 m Höhe am 3.9.2020 ...

 Mein „Erstes Mal“ am 3.9.2020 mit dem Rennrad die „Stilfserjoch-Passstraße“ auf 2760 m Höhe hinauf ...

 

Im „Corona-Jahr 2020“ ist dies unser erster Urlaub, weil unsere 14 Tage „Nordsee-Urlaub“ im Mai 2020 schon dem Corona-Virus zum Opfer fielen.

 

So freuten wir uns nun umso mehr darauf, weil wir dieses Jahr auch wieder einmal drei Wochen Urlaub am Stück in der schönen Ferienwohnung am „Mitterhof“ in Prad am Stilfserjoch gebucht hatten. Bis zum letzten Tag hofften wir, dass nicht noch irgendein „Lockdown“ kommt und uns einen Strich durch die Rechnung macht. Aber zum Glück war dem nicht so und wir reisten am Sonntag, den 30. August 2020 nach Südtirol. Wieder mit dabei unsere „Travelcat Kessy“, die auch vor zwei Jahren schon mit hier war.

Die ersten paar Urlaubstage gingen wir es ruhig an und schauten uns hier und dort ein wenig um. Natürlich ging es auch in den kleinen Radladen in Prad am Stilfserjoch, der sein schönes kupferfarbenes „Willier-Rennrad“ in seinem Schaufenster hängen hat.

 

Hier schraubt der Meister noch selber und ist persönlich für seine Kunden da. Wir stöberten ein bisschen im Laden herum und Alexander entdeckte ein wunderschönes Neon-Pink-farbenes Lenkerband für „Gustav“ mein GIANT LIV Rennrad. Genau das musste es sein. Der Meister entfernte das alte blaue Lenkerband von Gustav und verschönerte meinen Lenker mit diesem tollen Lenkerband, welches perfekt zu meinem pinkfarbenen Helm und zu den schwarz-pinken Radschuhen passt. Ach was war die Freude da groß !

 

So voll motiviert und mit meinem verschönerten Radel überlegte ich mir, dass ich es doch auch dieses Jahr mal probieren könnte, die Stilfserjoch-Passstraße hinauf zu fahren. Alexander ist vor zwei Jahren hier in unserem Urlaub viermal hinauf gefahren und die Jahre zuvor auch jedesmal mindestens ein- bis zweimal.

 

Und außerdem habe ich mein Maskottchen, den kleinen „Plüsch-Felix“ an der Satteltasche vom „Gustav“ außen gut befestigt und er fuhr mit. Letztes Jahr hat er mich schon in Südafrika auf unserer langen Reise begleitet und ist mein kleiner Glücksbringer.

 

Da ich aber keine gute Bergfahrerin bin, dachte ich mir, wenn ich eben es nur bis zur „Franzenshöhe“ auf eine Höhe von 2188 m schaffe, dann ist das auch gut und fertig. Versuch macht klug …

 

Am nächsten Tag, den 3.9.2020 war gutes, aber nicht so heißes Wetter vorhergesagt und so war meine Planung fast fertig. Den Wecker auf 6.30 Uhr gestellt, gemütlich zusammen gefrühstückt und dann sollte es auch schon los gehen.

Pünktlich 8.30 Uhr machte Alexander das „Startfoto“ von mir am Mitterhof und ich begab mich auf eine lange „Bergfahrt“ …

 

Vom Mitterhof fuhr ich erstmal nach unten zur Hauptstraße nach Prad um dann nach rechts zur Stilfserjochstraße zu kommen.

 

Die Stilfserjochpassstrasse schraubt sich in engen Serpentinen und über 48 Kehren bis auf das 2.757 Meter hoch gelegene Stilfser Joch empor. Sie verbindet Spondinig im Vinschgau mit Bormio in der Lombardei und ist die höchstgelegene Passtraße Italiens. Ihre Planung und Errichtung, die 1820 unter Kaiser Franz Joseph begann und nach nur sechsjähriger Bauzeit 1926 abgeschlossen wurde, gilt als Pionierleistung des Gebirgsstraßenbaus.

 

Nach kurzer Zeit passierte ich bei stetiger leichter Steigung schon die „Stilfser Brücke“ und fuhr weiter aufwärts nach „Gomagoi“. Von hier an wurde die Steigung schon heftiger und in „Trafoi“ dachte ich einen kurzen Moment: „wenn die Steigungen so weiter gehen, kommst Du sicher nie oben an“ …

 

Aber ich verdrängte diese Gedanken und dachte mir dann, treten, nach vorn schauen und immer weiter treten bis es nicht mehr geht. So spulte ich diese erste steile Strecke bis nach hinter „Trafoi“ ab. Auf diesem Stück überholten mich ein zwei E-Biker die ich kurzzeitig um ihre Räder beneidete. Andererseits dachte ich mir, nein Du willst das entweder mit eigener Beinkraft oder eben nicht schaffen. Dann weiß ich, woran ich bin und was meine Wille und mein Körper leisten kann.

 

So trat ich in meine Pedalen und genoss das nicht zu warme sonnige Wetter, die herrliche Natur ringsumher und machte immer mal wieder eine Trink- und Fotopause. Schon bald kam das erste „Kehren-Schild“ auf dem in großen Zahlen eine „48“ stand. Jetzt ging der Spaß erst richtig los. Ich dachte mir noch, was für eine wahnwitzige Idee ich da hatte, dass ich das schaffen könnte …

 

Nun hatte ich mir das aber vorgenommen, also gab es kein zurück mehr. Der Verkehr war recht angemessen, nicht zu vergleichen mit den Sommermonaten, wo sich tagtäglich viele Fahrräder, Motorräder, Oldtimer, Rennautos, normale Autos und Wohnmobile hier hinauf quälen. So fuhr ich in ganz gemächlichem langsamen Tempo Meter für Meter die Kehren hinauf. Zwischendurch plagten mich ab und zu Rückenschmerzen und ich hielt an, machte ein paar Rückendehnungen, trank etwas und fotografierte manchmal.

 

Meine Doping-Strategie hatte ich mir vorher gut überlegt und sie gestaltete sich so, dass ich ungefähr aller 10 Kehren Traubenzucker und Wasser zu mir nahm. Das wirkte ganz gut. Auf der „Franzenshöhe auf 2188 m Höhe“ gab es dann einen Poweriegel und eine längere Pause mit Dehnungen, Fotostopp und netten Gesprächen mit vielen anderen verrückten Rennradlern, die das gleiche Ziel wie ich hatten. Das baute mich auf und gab mir Kraft für den letzten langen Schub nach oben.

 

Ab der Franzenshöhe hat man sein Ziel schon vor Augen sehen und spult nun eine Kehre nach der anderen ab. Manchmal die Kraft aus der Wade nehmend, manchmal die Kraft aus dem Oberschenkel nehmend und fast nur noch auf dem größten Ritzel. Keine Reserven mehr, nur manchmal wenn es etwas weniger steil war schaltete ich ein Ritzel zurück, damit ich noch eine Reserve hatte, was ich aber schnell wieder nutzte, weil natürlich die Kräfte dem Ende entgegen gingen.

 

Das Ende kam dann aber doch recht schnell, weil ab Kilometer 5 nach oben die Verringerung der Kilometer auf der Passstraße aufgezeichnet waren und man sich über jeden abgespulten und nach oben gefahrenen Kilometer freute. Nun dachte ich nicht mehr daran, dass ich es nicht schaffen würde. Ich trat, was die Beinkraft noch so hergab und machte nun aller 3 Kehren eine kurze Pause. Die letzten 500 Meter war ich dann wie beflügelt und schon so geflasht, dass ich bis ganz hoch zum „Foto-Schild“ durchgefahren bin. Man was war ich stolz, dass ich das geschafft habe :-) …

 

26,6 Kilometer mit 1938 Höhenmetern in 3,22 Stunden auf 2760 m zum „Stilfser-Pass“ hoch gestrampelt und das mit eigener Beinkraft.

Ich war wirklich total happy, strahlte nur so vor mich hin und war überglücklich.

 

Dann traf ich zwei der Männer, mit denen ich mich unterwegs unterhalten hatte und wir gratulierten uns alle gegenseitig und machten Fotos vor dem „Passo della Stelvio Schild“ …

Es war wirklich sehr ergreifend und ich werde diese Fahrt nie vergessen.

 

Als ich mich wieder einbekommen hatte, schaute ich mich etwas an den zahlreichen Verkaufsständen an der Passhöhe um und gönnte mir als Belohnung ein sehr hübsches sportliches Armband mit einem silbernen Rennrad für meine eigene Leistung.

 

Dann machte ich noch einige Fotos, sprach noch mit anderen Radlern, fotografierte auch noch andere glückliche Radfahrer und genöß noch eine Weile das Flair am Pass.

 

Für die Abfahrt zog ich dann Ärmlinge und Weste über und machte mich nun auf den Rückweg bzw. die Rückfahrt auf der gleichen Strecke bergab nach Prad am Stilfserjoch. Unterwegs musste ich aber auch zweimal stoppen und meine Finger erwärmen, da der Fahrtwind bei über 40 km doch recht kalt war.

 

Insgesamt brauchte ich aber für die Abfahrt nur eine Stunde.